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Ein Anstoß für weitere Diskussionen

Arbeit am Computer
Datum:
Veröffentlicht: 28.6.21
Von:
Lukas Rummeny

Webinar des KKV Bayern über die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Zusammenleben in der Zukunft

Das ganze Leben wird digitaler. Gerade in der Pandemie ist etwa die Nutzung der vielfältigen Methoden des digitalen Zusammenkommens enorm gewachsen. Welche Auswirkungen und Chancen durch die Digitalisierung für Gesellschaft, Wirtschaft und Kirche erwachsen, hat der KKV Landesverband Bayern in einem Webinar mit Mitgliedern aus dem ganzen Bundesgebiet diskutiert.

35 Teilnehmer waren der kurzfristigen Einladung des KKV Bayern gefolgt. Unter ihnen war auch der KKV-Bundesvorsitzende Josef Ridders und der stellvertretende Vorsitzende des KKV Bildungswerks Bayern Klaus-Dieter Engelhardt. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden Dr. Klaus-Stefan Krieger stellte der 2. Landesvorsitzende Erik Händeler die „Zehn Thesen des KKV Bayern zum Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft und den Chancen des Evangeliums“ vor.

Die Thesen hat der Landesvorstand, gemeinsam mit Vertretern aller bayerischen Ortsgemeinschaften, entwickelt. Im April wurde das Papier durch die Delegiertenversammlung beschlossen und als offizielle Stellungnahme verabschiedet. „Die Thesen dienen dazu, dass wir im KKV, in der Kirche aber auch in der Gesellschaft ins Gespräch kommen und die zukünftige Entwicklung mitprägen“, hält Erik Händeler fest.

Produktion – strukturiertes Denken – Emotionen

Der Wirtschaftsjournalist erklärte in der Videokonferenz die historischen Epochen der Industrialisierung. So haben Maschinen, in der ersten Phase der Industrialisierung, den materiellen Teil der Arbeit übernommen. Im Zuge der Digitalisierung wurde dem Menschen auch die strukturierte Informationsarbeit, wie Datenanalyse oder Robotersteuerung, abgenommen.

„Wenn grundlege Strukturen wie Eisenbahn oder elektrischer Strom fertig aufgebaut waren, gab es immer große Wirtschaftskrisen wie 1873 und 1929, bis eine nächste Knappheit in der Produktion überwunden worden war“, führt der Experte aus. Auf der anderen Seite setze jeder Umbruch auch neue Kapazitäten frei, die für neue Arbeit sorgen.

Die wichtigste Ressource, die der Mensch habe, sei das Wissen, so Erik Händeler. „Wir haben die Fähigkeit, möglichst viele bei einem Umbruch in der Arbeits- und Wirtschaftswelt mitzunehmen und so Elend zu verhindern. Die unscharfe, umstrukturierte Wissensarbeit ist menschlich und kann von keiner künstlichen Intelligenz abgenommen werden“, führt der zweite Landesvorsitzende weiter aus.

Der Nachholbedarf der Kirche

Entscheidend für die Lösungsfindung sei die Kommunikation: „Wer Wissen für sich behält, löst keine Probleme“, sagt Erik Händeler. „Es ist wichtig mit seiner Meinung rauszugehen, mit anderen Standpunkten in Konfrontationen zu geraten und eine gewisse Streitkultur zu etablieren, die zu konstruktiven Lösungen führt.“

Die Kirche habe in diesem Bereich Nachholbedarf. „Dort herrscht immer noch eine Vermeidung von Streit vor. Probleme werden schnell und ohne Aufsehen gelöst. Konflikte will man dort auf jeden Fall vermeiden“, berichtet der Experte von seinen Beobachtungen. „Dabei führen konstruktive Auseinandersetzungen in einer Wissensgesellschaft immer zu Lösungen.“ Die Lösung von Problemen am „grünen Tisch“ und Entscheidungen von oben nach unten ohne Diskussionen brächt nur oberflächlichen Erfolg, weil in der Gesellschaft die Akzeptanz für diese Lösungen fehle und so rein hierarchisch gefällte Entscheidungen wieder in Frage gestellt werden.

Wenn das Sozialverhalten des Einzelnen den Wohlstand bestimmt und zum Thema wird, ist das eine neue Chance, das Evangelium wieder in die Debatte miteinzubringen. „Nicht, weil es um eine produktivere Wirtschaft geht, sondern weil unser Verhalten vor Gott wichtig und zeigt, wie wir uns in den Konflikten des Alltags entscheiden“, begründet Erik Händeler den Einbezug des Evangeliums. Die christliche Tugend zur Bewahrung der Schöpfung sei etwa eine klare Richtschnur für den Ressourceneinsatz in wirtschaftlichen und produktionstechnischen Vorgängen.

Dier Kirche darf sich nicht ausschließen

Ein zusätzliches Problem sieht Erik Händeler im Wirtschaftsverständnis der Kirche. „Viele Entscheidungsträger in der Kirche sehen ein profitorientiertes Wirtschaftssystem als böse an“, führt der stellvertretende Landesvorsitzende aus. „Das ist eine pauschale Aussage, die falsch ist. Profit ist per se nicht böse. Es geht vielmehr um dessen Einsatz.“ Dabei stehe der Eigennutz dem gesellschaftlichen Nutzen gegenüber. Erik Händeler ist sich sicher, dass genau in diesem Punkt die Kirche in die Diskussion einsteigen muss. „Die Kirche muss aktiv werden und wieder ins Gespräch kommen. Das kann zwar zu Konflikten führen, aber auch zu Fortschritten in Gesellschaft und Wirtschaft.“

Im Anschluss an den Vortrag entwickelte sich eine lebhafte und kontroverse Diskussion, in der Erik Händeler den Fragen den Webinar-Teilnehmer Rede und Antwort stand. Der Landesvorsitzende Dr. Klaus-Stefan Krieger zeigt sich zufrieden mit dem Vortrag und der Diskussion: „Es ist gut, dass unsere Thesen diskutiert werden und bereits früh Kontroversen entstehen.“ Er nehme persönlich zwei Ansätze aus dem Vortrag mit. „Wir müssen uns innerhalb des KKV und auch als Christen die Fragen stellen, was es bedeutet, eine gute Arbeits- und Streitkultur zu haben und wie man diese in die Praxis umsetzen kann. Zudem können wir in weiteren Diskussionen die Systemfrage stellen und schauen, wie eng die Digitalisierung mit dem sogenannten ‚Kasinokapitalismus‘ verbunden ist.“